Heimatkundlicher Verein Warndt e. V.

 
 

Von den Anfängen: Tabaksdosen aus Ensheim

Aber was genau stellten die Adts eigentlich her? Ganz am Anfang war in Ensheim (Saar) ein Müller namens Mathias Adt, dort geboren um 1716, der damit anfing, Tabaksdosen aus Holz zurechtzuschneiden. Er hatte die Idee, sie den Mönchen der Wadgasser Abtei, von denen das Dorf Ensheim abhängig war, zu verkaufen. Seine Kunden aus der Abtei nannten die Tabaksdosen "Müller-Dosen". Da sie gefielen, gelang es ihm auch, sie anderen Mönchen in der Region zu verkaufen. Die Klosterleute verkauften sie natürlich wieder an anderer Stelle, wo man sie dann "Kloster-Dosen" nannte. Nun hatte Mathias, möglicherweise über den Wadgasser Abt, von einer Erfindung gehört, die ein Pariser Buchbinder mit Namen Martin gerade gemacht hatte.     

Dieser stellte runde Dosen aus mehreren Schichten gepressten und lackierten Papiers her. Man nannte dies "papier mâché" (zerkautes Papier). Martins Erfindung war in Paris ohne Erfolg geblieben. Mathias nahm die Idee auf, um sie zu verbessern. Er brachte Scharniere an, variierte die Formen und verzierte die Deckel. Von da an hatte er zwei Produkttypen: Dosen aus Pappmaché und solche aus Holz.

Die acht Söhne von Mathias arbeiteten mit dem Vater zusammen, was die Produktzahl offenbar spürbar steigen ließ und den Absatz bis nach Saarbrücken und sogar Saargemünd ermöglichte. Dieser Erfolg war ein Anreiz für die anderen Dorfbewohner, sogar über Ensheim hinaus stellte man Tabaksdosen her, zum Beispiel in Klein- und auch in Großblittersdorf.

Zunächst waren es Bauern, die eine zusätzliche Einnahmequelle suchten, insbesondere 1788, als die Ernten katastrophal schlecht ausgefallen waren. Selbst der Herzog von Zweibrücken, Christian IV., Gemahl von Marianne, Comtesse de Forbach, versuchte diesen ertragreichen Markt für sich zu gewinnen, indem er eine (steuerlich) bevorzugte Manufaktur in seinem Gebiet entstehen ließ.

Im Wettbewerb mit anderen entschloss sich der Wadgasser Abt, eine moderne Produktionsstätte zu schaffen. Nach seinem Tode wurde sie geschlossen, aber einer von Mathias' Söhnen gründete, obwohl weiter als Landwirt arbeitend, eine weitere. Zu Zeiten von Revolution und Kaiserreich stieg die Tabaksdosenproduktion im wahrsten Sinne explosionsartig (um 1800 produzierten 250 Familien im Raum Saargemünd, insbesondere in Großblittersdorf, mehr als 1 000 000 Stück). Einer der Enkel von Mathias, Pierre Adt, war ein handwerklich geschickter Dekorateur, produzierte "Trophäen", mit Revolutions- oder Kriegsszenen oder berühmten Personen der Zeit geschmückte Tabaksdosen. Sein Markt wurde ständig größer, er konnte die Dosen auf Reisen durch Frankreich und Süddeutschland erfolgreich absetzen.

Nach dem Fall des Kaiserreichs traf die darauf folgende, bis 1850 andauernde Krise das Kunsthandwerk. Der bayerische Absatzraum beispielsweise entfiel, denn Importe wurden vom bayerischen König mit hohen Zöllen belegt, Nürnberg hatte bis dato einen wichtigen Markt dargestellt.

Die Krise führte zu einem Exodus der Handwerker zu den anderen Gebieten in Deutschland hin, auch nach Holland, Italien, Österreich und nach Russland. In diesem Moment stellte einer der Söhne von Pierre, Pierre Adt III., die bisher bekannte Produktion des handwerklichen Familienbetriebs auf eine industrielle Arbeitsweise um. Er hatte die Technologie der Produktion bereits mehrfach verbessert und dank eines erfolgreichen Talents ständig etwas Neues entwickelt. Öl und Harze wurden zur Erzeugung von Lack und Firnis gebraucht. Sogar Silber verwendete man zur Verschönerung einer Reihe weiterentwickelter Tabaksdosen.

Der 1798 geborene, mit 18 verheiratete Pierre Adt III., Vater von acht Kindern, gründet 1839 mit und für seine drei Söhne das Hauptwerk (mit Stammsitz) "Gebrüder Adt". Es war genau ein Jahrhundert vergangen, nachdem sein Urgroßvater mit dem Zuschneiden der Holzdosen begonnen hatte. Anfänglich sind Handpressen die einzigen erforderlichen Maschinen, die der Industrielle noch selbst herstellt. Die Belegschaft erhöht sich 1839 (von 40) auf 50 Arbeiter, 1850 auf 150, 1851 schon auf 100 - also eine sehr beschleunigte Entwicklung.

Seit 1849 ist die Dampfmaschine tatsächlich schon im Einsatz, das ist ein enormer Fortschritt, denn die Pressungsstärke bei der Formung ist bedeutend höher, entsprechend robuster und qualitativ höher sind die Produktergebnisse. Gleichzeitig beginnt die Diversifizierung der Produktarten. Eine immer weitere Produktpalette kann von den Handelsreisenden in ganz Europa angeboten werden.

Der Einzug der ersten Dampfmaschine hat in Ensheim natürlich eine lebendige Gegnerschaft unter der Bevölkerung hervorgerufen, da sie das Dorf an die Höllenmaschine verloren glaubte. Frankreich war zwischenzeitlich - mit Paris, bisweilen Lyon, das Land geworden, in dem man die meisten Schnupftabaksdosen verkaufte. Es hatte die Stellung Bayerns mit Nürnberg übernommen, das durch neue Importzölle als Absatzgebiet verloren gegangen war.